P.R. STAMMTISCH
IN WIEN

 

P.R.-Stammtisch August 1998

 

Die große Gruselserie von Eric Light

Stammtisch des Teufels

[Deutsche Erstveröffentlichung]

An diesem Tag, als das Schicksal - mein Schicksal - seinen Lauf nahm, war es ziemlich heiß. Es schienen keine normalen Sonnenstrahlen zu sein, die vom Himmel kamen, sondern rotglühende Speere. So zumindest kamen sie mir vor, als ich das Auto verließ und die Tür des Ford Fiesta ins Schloß drückte.
Es war heiß - drückend heiß. Nicht mehr so warm wie in den vergangenen Wochen, aber die Hitze hatte sich noch in den unteren Regionen gehalten. Dort wurden die Sonnenstrahlen nochmals verstärkt und verbrannten meine Haut. Deshalb mußte ich zusehen, so rasch wie möglich einen Unterschlupf zu finden, und ich hetzte auf den mächtigen Schatten zu, der in der Dämmerung zu sehen war.

Als ich näher kam, erkannte ich Heinz, der mir zuwinkte. Bei ihm saßen noch ein paar andere, die ich als Daniela, Karl-Heinz und Franz identifizierte. Seltsam! Ich hatte mir doch einen anderen Treffpunkt vorgemerkt, und nun saß diese kleine Gruppe auf der anderen Straßenseite und noch dazu im Freien, und das Lokal hieß nicht "Ebbe und Flut", sondern "Cafe Emilie". Ich ließ mich jedoch nicht beirren und setzte mich dazu. Bis jetzt war ja alles gut gegangen, doch ab nun mußte sich herausstellen, wie gut meine Vorbereitungen für den heutigen Abend waren.

Begonnen hatte diese gefährliche Sache bereits vor einem Monat. Nachdem mein Freund Bill den Geheimdienstbericht eines gewissen Roman Schlond, seines Zeichens Geheimagent 0:0 (die erste Ziffer steht für die besonderen Verdienste um das Land, das Satzzeichen dazwischen soll bloß Verwirrung stiften, und die letzte Ziffer steht für die Anzahl der erfolgreich abgeschlossenen Missionen), abgefangen hatte, der über die Umtriebe einer gewissen Perry Rhodan Sekte berichtete, wurde ich sofort hellhörig. Schon vor längerer Zeit hatte ich mit zwei Dämonen höherer Ordnung namens Perro Rhydan und Fricko-Fricko zu tun - diese Namensähnlichkeit konnte kein Zufall sein!

Ich besprach mich kurz mit Sir James und bekam grünes Licht. Zunächst begann ich einmal, mich etwas in die Materie einzuarbeiten. Eines war klar - aus Sicherheitsgründen mußte ich diesen Fall im Alleingang lösen und konnte nicht auf die Hilfe meiner chinesischen Freunde hoffen. Der nächste Schritt war, einen Besucher dieses Treffens ausfindig zu machen und seinen Platz einzunehmen, da man als neuer Besucher einige Grundvoraussetzungen erfüllen (zB. Besitz der satanischen Schriften von Beginn der Zeitrechnung an bis Nummer 1929) und mehrere dumme Fragen über sich ergehen lassen mußte, die meine Ermittlungen nur beeinträchtigt hätten. Es war nicht weiter schwierig, die geeignete Person zu finden - ein Blick ins Internet genügte, und ich kannte meinen Mann. Mit einigen Hilfsmitteln aus meinem Schminkkoffer konnte ich mich ohne weiteres in ihn verwandeln und mußte bloß eine zweiwöchige Hungerkur machen.

Als endlich der Abend gekommen war, lockte ich den Ahnungslosen in eine Falle - ein fingiertes Schreiben, daß er eine Einladung zum Großmeister zwecks Einblick in seine Geheimunterlagen aus fünf Jahrzehnten gewonnen hätte, machte mir den Weg frei. Und nun saß ich hier am Tisch und versuchte unauffällig zu wirken. Das einzige Problem war, daß ich einen Bericht für das interne Sektenblatt "NOW!" schreiben mußte, damit mein Täuschungsmanöver nicht aufflog. Aber das würde ich schaffen, und notfalls konnte Glenda das für mich erledigen.

Mit großer Überwindung bestellte ich das gleiche Getränk wie die anderen - schwarzes Dämonenblut in durchsichtigen Karaffen, eiskalt und noch irgendwie mit Leben behaftet, da es noch ganz leise vor sich hinbrodelte und sprudelte. Ich nahm an, daß das nur der Beginn des Rituales war, und ich sollte Recht behalten.

Während die anderen Gäste Pläne für ein Großtreffen der Sekte auf einer Burg, die so ähnlich wie "Gebeine-Stätte" hieß, schmiedeten, hielt ich mich dezent im Hintergrund, um nicht durch unbedachte Worte zu verraten, daß ich nicht der war, für den ich mich ausgab. Meine Linke tastete immer wieder verstohlen nach Hesekiels Kreuz, das ich unter meinem Hemd verborgen hatte, und die rechte Hand steckte in meinem Hosensack und umklammerte die Beretta.

Nach kurzer Zeit bekamen die Rhodan-Anbeter Verstärkung. Roman (Anmerkung für Glenda: Personenkartei aktualisieren! Trägt jetzt schwarzen Vollbart, konnte mich aber nicht täuschen!) und Manfred ließen die Zahl der Teilnehmer auf sieben ansteigen. Vielleicht haben sie ja etwas geahnt oder es war nur Zufall. Jedenfalls wurde nun ein taktischer Ortswechsel vorgenommen, und wir gingen geschlossen zum ursprünglichen Versammlungsort, der mittlerweile seine Pforten geöffnet hatte. Dummerweise kam ich als Erster zum Eingang und öffnete deshalb äußerst vorsichtig die knarrende Türe. Sofort sprangen zwei vierbeinige, schwarze Höllenkreaturen aus der Dunkelheit. Fast hätte ich die Beretta gezogen, doch dann wären alle bisherigen Bemühungen umsonst gewesen. Ich stand bange Sekunden durch, bis eines der Sektenmitglieder die beiden Bestien beruhigt hatte. Kein Zweifel mehr - dieser Ort war ein Hort des Teufels!

Als wir in ein kleines, finsteres Hinterzimmer geführt wurden, sah ich meine Hoffnungen immer mehr schwinden, hier ungeschoren und zu einer vernünftigen Zeit wieder herauszukommen. In einer Ecke des Raumes befand sich mehrere Folterinstrumente mit blitzenden Metallspitzen, die teils in einer großen Holzscheibe an der Wand steckten und teils griffbereit daneben lagen. Auf einer Tafel waren mehrere Zahlen hingekritzelt, und ich nahm an, daß es sich dabei nur um Aufzeichnungen über die Opfer handeln konnte.

Schließlich kamen noch die restlichen Besucher - Antje und Arnold, Wolfgang und Marcus Michael vervollständigten die Runde

Als nächstes folgte anscheinend ein Orakel. Michael Marcus streute eine Handvoll kleiner blauer Gegenstand mit einer Abbildung Perry Rhodans in die Mitte des Tisches. Schneller, als meine Augen es mitverfolgen konnten, streckten sich gleichzeitig die Hände aller Anwesenden danach aus und ergriffen eines dieser Objekte. Automatisch tat ich natürlich mit und riß auch eines der heißbegehrten Stücke an mich. Ich sah, wie einige daran drehten und eine grelle Flamme daraus hervorschießen ließen. Teufelswerk! Wahrscheinlich der Beginn der abendlichen Zeremonie, dachte ich mir, und nahm mir vor, dieses Teufelsding zu Untersuchungszwecken mitzunehmen.

Dann wurden kleine, bunte Bilder herumgereicht, auf denen wüste Orgienszenen zu sehen waren, offenbar anläßlich einer Jahresversammlung der Rhodan Sekte in Deutschland. Auf den Bildern erkannte man etwa auch kleine häßliche nackte Pelztiere, die bei den Anhängern der Sekte anscheinend eine Fetisch-Funktion haben.

Auf dem Tisch sammelten sich auch immer mehr Karaffen mit den absonderlichsten Inhalten an. Neben dem schwarzen Dämonenblut gab es auch mehrere Gläser mit Urin tollwütiger Hunde - eine gelbe Flüssigkeit mit weißem Schaum darauf. Mir graute, und als das Mahl angekündigt wurde, begann sich mein Magen bereits langsam umzudrehen.

In einem der Nebenräume fanden offenbar die rituellen Opferschlachtungen statt. Undefinierbare Geräusche drangen zu uns ins Hinterzimmer. Kurz darauf kam die dralle Hohenpriesterin mit rotverschmierten Tellern, auf denen sich viereckige, halb verkohlte Gebilde befanden, aus denen Fleischfetzen hervorhingen und eine zähflüssige schleimiggelbe Substanz heraustropfte. Ich würgte den dicken Kloß in meinem Hals hinunter und begann voller Ekel und Abscheu zu essen. Plötzlich kam mir ein schrecklicher Verdacht. Bereits ein paar Mal wurde am Tisch über einen 'Thomas mit dem schwarzen Buch' gemunkelt, den man schon ein paar Monate nicht mehr gesehen hatte. Ich wagte gar nicht daran zu denken, als ich mir eine zweite Portion nahm und herzhaft zubiß.

Daniela bekam eine Portion von zu Kugeln geformtem, im Wasser aufgedunsenem und mit Mehl vermischtem Weizengebäck, das in kochendem Wasser abgetötet und dann mit Eiern und Zwiebeln vermischt wurde, ohne Salat und auch ohne die fünf Gabeln, die von den anderen Gästen geordert wurden.

Ich sah auf die Uhr - bereits dreiviertelzehn. Die Zeit war bisher schnell vergangen, und eigentlich hatte ich schon alles gesehen, was ich sehen wollte. Doch es sollte noch schlimmer kommen.

Ab nun setzte ein beständiges monotones und dumpfes Gemurmel ein, das so ähnlich wie "Erryr Hodanr Atlangu Ckyto Http Lot// Korra Go" klang und sich beständig wiederholte. Ab und zu konnte ich dazwischen auch andere Dinge heraushören, die ich zwecks späterer genauerer Analyse nun einmal genauer festhalten mußte. Und das versuchte ich einmal kurz in der Art, wie es wahrscheinlich einer der anwesenden Eingeweihten getan hätte (vorher noch eine Notiz für Glenda - wahrscheinlich neue Dämonenart aufgetaucht: unheimliche Korrago!)

Hauptthema des Abends war natürlich der 1. Austria Con auf Schloß Gleinstetten. Heute wurden in Graz die Verträge für die Anmietung der Räumlichkeiten unterzeichnet. Heinz erzählte ein paar Einzelheiten zu dieser Veranstaltung des Jahres in Österreich, mußte aber zugeben, die Ankündigungen dafür sowie Info-Material im Kofferraum seines Wagens zu haben, der allerdings in Graz stand. Der Aufforderung der anderen Stammtischgäste, die Unterlagen noch schnell zu holen, ist er aber nicht nachgekommen. Roman, der unbedingt eine Backstage-Karte für diese Veranstaltung bekommen wollte, wurde schließlich dahingehend vertröstet, vielleicht eine Unterkunft in relativer Nähe des wahrscheinlichen Quartiers der Autoren zu bekommen. Aus Preisgründen schlug er vor, statt eines Einzelzimmers ein Doppelzimmer mit Daniela nehmen zu können. Nach Danielas unschuldig-erwartungsvoll-harmloser Frage "Ja? Wirklich?" habe ich ihn dann das erste Mal sprachlos gesehen (aber nur kurz!). Um jetzt nicht auf das Niveau der diversen Herz-Schmerz-Revolverblätter zu verfallen, möchte ich an dieser Stelle nicht ankündigen, das Thema weiter zu verfolgen und beim nächsten Mal einen ausführlichen Bericht über den Ausgang des Geschehens zu bringen.

Dann ging es um das Sexleben von Bill Clinton, das wir aber zum Glück recht rasch abgehakt haben (den bereits uralten Witz über eine Befragung aller weiblichen Mitarbeiter im Weißen Haus, ob sie sich vorstellen könnten, mit dem Präsidenten Sex zu haben und wo über 80 % geantwortet haben "Nein, nicht schon wieder" möchte ich an dieser Stelle gar nicht bringen, da ihn wahrscheinlich ohnehin schon jeder kennt). Viel interessanter war es da schon, was Heinz über das Sexleben Perry Rhodans zu berichten hatte, wie es nie im Roman (nein, nicht der) gestanden hatte: Perry und Mondra verbringen eine Nacht miteinander. Am nächsten Morgen sagt Mondra zu Rhodan: "Perry, machst du den Kaffee? Vielleicht klappt ja wenigstens das." Okay, weiter zum nächsten Thema.

Zwischendurch wurde ständig gefragt, ob das denn hier nicht der Perry Rhodan Stammtisch sei, und dann versuchten wir immer krampfhaft, irgendeine Verbindung vom gerade beplauderten Thema zum Erben des Universums herzustellen. Am nähesten ist dabei noch Ren Dhark gekommen, alle anderen Themen waren weit abgeschlagen.

Bei den Klängen von "Roll over Beethoven" des Electric Light Orchestras wurden einige hellhörig. Hier begann sich die Spreu vom Weizen, sprich, die Jungen von den Alten zu trennen, die ELO noch als großartige Musikgruppe kannten und nicht für ein Computerprogramm zur Daten-Archivierung hielten.

Von ELO war es nicht weit zu den Rolling Stones. Ihr letztes Konzert soll ja sehr gut gewesen sein, und einige erinnerten sich noch an einen ihrer früheren Wien-Auftritte, etwa am 3. Juli 1982 im Praterstadion - ja, ja, da haben wohl einige der hier Anwesenden noch in die Windeln gemacht! Apropos - Wolfgang präsentierte stolz Fotos seines Stammhalters, und dabei habe ich erstaunt festgestellt, daß alle, die vorhin sofort ELO erkannt haben, verheiratet sind und Kinder haben.

Nach einem kurzen Abschweifen zu Mediziner- und Professorenwitzen sowie tatsächlichen Geschichten, die genau genommen auch ein Witz sind, ging es auch kurz um Fußball, und Wolfgang gab nochmals den Witz über die Intelligenz von Fußballfans zum Besten (siehe dazu auch den Stammtischbericht vom letzten Monat).

Wer jetzt geglaubt hat, es kommt nicht mehr, der hat sich geirrt. Auch heute stand das Thema Comic auf der Tagesordnung, wobei es um Nick, Rudi Wäscher, Moebius, John Difool, Erlangen, Serpieri, Spawn - um hier nur einige Schlagworte zu nennen - ging.

Meine Hand schreibt, doch allein', mir fehlt das Verständnis für die Wörter und Sätze, die ich bisher auf das Papier gebracht habe. Die linke Hand um mein Silberkreuz verkrampft, habe ich hier wohl unterbewußt und vielleicht auch berauscht vom Geruch der weißen Stäbchen, die die Sektenmitglieder in ihren Mund stecken, dort anzünden und rauchen lassen, Dinge in mein Notizbuch geschrieben, die ich in der Zentrale erst mühsam analysieren und auf ihren Sinn prüfen lassen muß.

Gerade, als ich die Versammlung der Rhodan-Anbeter still und heimlich verlassen wollte, setzte wieder das monotone Gemurmel ein, diesmal jedoch stärker als zu Beginn des Abends. Die Anwesenden hoben und senkten die Opferschalen und leerten sie mit kräftigen Schlucken. Anscheinend begann ein neues Ritual. Schriftstücke, die noch auf dem Tisch lagen, wurden in große Säcke gesteckt und es wurden Zettel mit rätselhaften Zeichen ausgetauscht - "httpwwwcomcom ...." Hier würde unser Computer einiges zu tun haben, um den Code zu knacken.

Plötzlich erhob sich einer der Rhodanisten und schrie: "Ein Ungläubiger ist unter uns!!" Sein Finger zeigte auf mich, und gleichzeitig spürte ich alle Augenpaare mit stechenden Blicken auf mir ruhen. Ein heißer Schauer jagte über meinen Rücken. Die eine Hand wollte zu Hesekiels Kreuz greifen, die andere zur Beretta, doch ich war wie gelähmt! Ich konnte mich nicht bewegen! In meinem Trank mußte ein Mittel gewesen sein. Höhnisches, satanisches Gelächter hob an, steigerte sich zu einem schrillen Orkan. In meinem Kopf drehte sich alles, er explodierte ...

Es war der Moment, in dem ein Mensch die unbeschreibliche Todesangst hätte empfinden müssen. Auch ich war nur ein Mensch, aber dieses Gefühl raste nicht in mir hoch, weil etwas anderes passierte. Meine Sinne waren nicht mehr so geschärft. Ich hörte die beiden krachenden Laute nur mehr im Unterbewußtsein, aber die Augen funktionierten noch. Plötzlich zersprang das Gesicht des Sektenführers in einem Brei von Blut, Knochen und Sehnen ...

 

"Hallo, Eric!"

Irgend jemand klopft mir auf den Arm und ich wache auf. Mann, bin ich doch glatt am Stammtisch eingeschlafen. Die Gäste sind gerade in Aufbruchsstimmung. Beim Zahlen achten wir noch darauf, daß wir keinen 20-Schilling-Schein ausgeben, der eine Million Schilling wert ist und verlassen das Lokal, hinaus in eine angenehme Nacht, kurz vor der Geisterstunde. Da habe ich ja einiges versäumt heute, aber das ist halb so schlimm. In ein paar Tagen kann ich alles im Internet nachlesen.

[Anmerkung: Zwei kurze Textpassagen wurden in leicht veränderter Form dem John Sinclair Roman Nummer 1000 "Das Schwert des Salomo" von Jason Dark entnommen. Wer die Absätze zu erkennen glaubt, kann mir ein e-mail schicken und wird bei der richtigen Lösung in der nächsten Ausgabe von NOW! lobend erwähnt!]

 

Stammtisch Juli 1998

Stammtisch September 1998

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