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P.R.-Stammtisch
September 1998
Kinder, wie die Zeit vergeht! Jetzt sitze ich schon wieder hier, um einen Stammtischbericht zu Papier bzw. zu Monitor zu bringen. Nicht, daß es nichts interessantes zu berichten gäbe und nicht, daß es mir keinen Spaß machen würde - es ist nur einfach so, daß früher eine Woche endlos dauern konnte und jetzt ein Monat fast wie ein Tag vergeht, und das gibt einem schon zu denken.
Das Motto für den diesmaligen Bericht lautet jedenfalls, auch aufgrund der Tatsache, daß die Stammtischberichte der letzten Zeit bereits ein bedrohliches Eigenleben entwickelt haben: "Back to the roots" - ein Bericht ohne Schnörkel und Floskeln.
Zuvor jedoch noch eine kleine Nachlese zum letzten Stammtisch. Am 27. August 1998, also etwa drei Wochen später, fand sich in der "Presse" auf Seite 15 ein Artikel, der sich wie eine Fortsetzung zum Stammtischbericht vom August las. Ich zitiere auszugsweise:
"Satans-Jünger feierten Messen und tranken Blut. .... ist durch Hinweise aus der Bevölkerung eine Gruppe von angeblichen Satans-Jüngern aufgeflogen, die ... vermutlich schwarze Messen zelebrierten. ... Die Satans-Jünger sollen bei ihren Zusammenkünften Hühnern den Kopf abgeschlagen und das warme Tierblut vermischt mit Rotwein getrunken haben. ... Die Ermittlungen werden nun auf den ganzen Bezirk ausgedehnt. Die Gendarmerie geht davon aus, daß es mehrere derartige Gruppen gibt, die miteinander in Verbindung stehen und Kontakte zu ausländischen Satans-Jüngern pflegen."
Da sieht man wieder einmal, wie die Wirklichkeit die Fiktion überholen kann!
Bereits eine Woche vor dem Stammtischabend kam Michael Marcus zu mir, um einen großen Karton und eine dicke Rolle zu übergeben. Darin befand sich Material über den im Oktober stattfindenden Austria Con I, das er von den Grazer Kollegen bekommen hatte und das ich am Freitag verteilen sollte, weil er auf Urlaub weilt. Nachdem ich auch noch einige andere Dinge mitzunehmen hatte, kam ich schließlich vollbepackt in das Lokal "Flut und Ebbe", wo im Hinterzimmer gerade von den Erstankömmlingen der Tisch bearbeitet wurde, um auch alle Gästen Platz zu bieten. Roman, Roswitha, Milan und Daniela zogen, schoben und klopften, bis sich der Tisch endlich in voller Größe präsentierte. Der wackelige Nebentisch aus Stein, den man laut einer Warnung der Wirtin besser nicht angriff, wurde als Ablage für die Ankündigungszettel und die Veranstaltungsposter (beigestellt von der Fanzentrale!) des Austria Cons verwendet. Als Franz, Karl-Heinz und Michael nacheinander eintrafen, hatte Milan bereits alle mitgebrachten Exemplare seines Fanzines "New Worlds" Nummer 30, das in den Clubnachrichten des aktuellen Romanes (1933) als sehr lesenswert empfohlen wurde, angebracht und mußte aus dem Auto Nachschub holen. Übringens wurde auch das .. ähem .. "NOW!" in den Nachrichten lobend erwähnt.
Roman hatte ein Klebealbum vom "Schwarzen Loch" mit, daß er beim Umräumen in seiner Wohnung gefunden hatte, sehr zu Danielas Freude, die jetzt versuchen wird, mit Hilfe meines Albums die Bildergeschichte komplett zusammenzupuzzeln. Außerdem präsentierte er uns noch stolz "Kalkitos" - das sind ausklappbare Papierbögen mit Szenen aus Star Wars oder Superhelden-Szenarien, auf die man die Figuren dazurubbeln mußte. Erschienen ist das ganze in den 70-er Jahren und war in jeder Trafik zu kaufen.
Wolfgang, Erich und Heinz, unser Austauschgast aus Graz, vervollständigten die Runde auf 10 Leute. Schön langsam taten wir uns schwer, die Essens- und Getränkebestellungen auf dem Tisch unterzubringen. Nicht, daß der zu klein gewesen wäre, aber alle bringen immer soviele Dinge zum Anschauen, Tauschen und auch Verkaufen mit, daß etwa Heinz bereits halb verhungert war, bis er endlich unter einem Stapel Taschenbüchern, mehreren Blättern mit Con-Informationen und einer alten Nummer von "NOW" endlich die Speisekarte gefunden hatte.
Ab dann wurde es chaotisch. Im Nachhinein kann ich gar nicht mehr das ganze Szenario schildern, da alle kreuz und quer im Raum verteilt waren, sitzend, stehend, am Boden hockend, hinter Plakaten versteckt, auspackend, einpackend, hin- und hereilend, rufend, plaudernd, flüsternd ... Erich verteilte Con-Flugzettel, Milan zeigte seine Comic-Zeichnungen her, Karl-Heinz verkaufte am Nebentisch aus einem Bananenkarton Gucky-Tassen, Heinz suchte verzweifelt einen Sessel und berichtete von Aufnahmen und Interviews des ORF beim gestrigen Grazer Stammtisch, Roman und Daniela versuchten, ein Kreuzworträtsel zu lösen, irgend jemand probierte ohne Erfolg, eines der Plakate aufzuhängen - und das alles gleichzeitig! Es dauerte eine Weile, bis Ruhe eingekehrt war und man sein eigenes Wort wieder verstehen konnte.
Um nochmals auf das Kreuzworträtsel zurückzukommen - hier handelt es sich um ein Gewinnspiel des Grazer Perry Rhodan Stammtisches "ES" für den Austria-Con. Wenn man die P.R.-spezifischen Fragen beantwortet und das Rätsel richtig ausfüllt, erhält man ein Lösungswort, mit dem man an einer Preisverlosung auf dem Con teilnehmen kann. Das Wort lautet .... - Moment mal! Je mehr Leute das wissen, um so mehr sinken unsere Chancen, etwas zu gewinnen. Also strengt auch gefälligst selbst an!
Als das Thema Sammelkartenspiel angeschnitten wird, sieht man einige nur verständnislos den Kopf schütteln. Rare Cards, Promo-Cards, Druckfehler, 2nd-Edition, Phase IV, hunderte Schillinge für einzelne Karten und ähnliche Spinnereien lassen die Skeptiker mitleidig lächeln und die Sammler grübeln. Erich hat drei ganz aktuelle Promokarten mitgebracht, die bei der Umtauschaktion für die verdruckten Aktionskarten der 2nd Edition die verärgerten Fans etwas entschädigen sollten.
Die bisherigen Ausführungen täuschen aber etwas über das eigentliche Thema des heutigen Abends hinweg - Comics! Es wurde zwar immer wieder zur (Perry Rhodan-)Ordnung gerufen, aber die Comicfreunde konnten sich trotzdem hartnäckig behaupten. Immer wieder wurden die Superhelden, ihre Universen, ihre Kämpfe, Verschmelzungen und Wiederauferstehungen ins Spiel gebracht. Hier gibt es ja momentan einen gewaltigen Boom, dessen Ende noch nicht abzusehen ist. Man warf mit Begriffen wie Crisis on infinite earth, Spawn, Top Cow, Crossover, Variant Cover oder Sonnenfresser herum und konnte sich dafür genauso begeistern wie für Perry Rhodan. Man stelle sich etwa vor: Perry Rhodan Band 2000, mit einem Ultra-Red-Metallic Variant-Cover, limitiert auf 99 Stück, inhaltlich ein Crossover mit Commander Scott und den Terranauten, wobei die Fortsetzung in der neuen Atlan-Serie als Nummer 67 erscheint, mit einem Darkblack-Cover, einem Super-Rare-Universal-Cover, einer Goldsilver-with-red-points-Edition und einer No-Cover-Ausgabe (alle vier zusammen um nur DM 999,--), der dritte Teil der Quadrologie erscheint als Raumschiff Enterprise Folge Nummer -1 als Crossover mit Captain Kirk, und den furiosen Abschluß findet man dann im Perry Rhodan Roman Nummer 2000 1/2, der in einer Buchhandels-, einer Presse- und einer Fanausgabe erscheint, in einer Publisher Proofs-Version mit Doppel-Negativcover und beigelegten Riesenpostern, Coupons und Kopfwehpulver, um das alles zu verdauen.
Da lobe ich mir die guten, alten Barks-Geschichten, die noch so schön überschaubar waren. Die Originalseiten seiner Werke werden ja mittlerweile zu horrenden Preisen gehandelt.
Und trotzdem nennt ein privater Sammler zwei ganze Geschichten sein eigen, darunter etwa die zehnseitige Donald Duck Story "Beautie Business" aus dem Jahr 1965. Nachlesen kann man die Geschichte etwa im Micky Maus Heft Nummer 43 aus dem Jahr 1968 unter dem deutschen Titel "Donald hat Geheimnisse", in der Barks Library wird sie allerdings erst im nächsten Jahrtausend erscheinen.
Doch kommen wir wieder kurz zu Perry Rhodan zurück. Plötzlich tauchte die Frage auf, wo denn die tollen Veranstaltungsplakate des Austria Cons seien, die ich eigentlich erst am Ende des Abends jedem in die Hand drücken wollte. Ich warf kurz einen skeptischen Blick auf ein längliches Päckchen am Nebentisch und stellte eher beiläufig fest: "Ich glaube, es sind nicht genug für alle da." Plötzlich kam eine eigenartige, bedrohlich wirkende Unruhe auf, einige der Anwesenden begannen nervös mit den Füßen zu scharren. Und dann versuchte ich einfältigerweise einen kleinen Scherz, indem ich mit einem Blick in die Runde sagte: "Ich glaube, es dürfte genau eines zuwenig sein." Was dann folgte, läßt sich nur kurz so beschreiben - ein Le Mans Start ist ein Dreck dagegen!
Nachdem dann doch sogar ein Plakat übriggeblieben ist und wieder etwas Ruhe eingekehrt war, gingen wir wieder zur Tagesordnung über und widmeten uns dem Thema "Mein Auto und ich". Jeder erzählte seine ganz persönlichen Erlebnisse mit Strafzettel schreibenden Polizisten, Abschleppdiensten und Verkehrsschildern, wobei sich die Erzählungen an Obskurität und Bizarerie immer wieder überboten. Außerdem gab es Kurzvorträge über "Wie funktioniert eine Laserpistole?" und "Wie sind Verkehrsschilder ordnungsgemäß aufzustellen?" aus fachkundigem Munde.
Während der Gespräche war immer wieder zu beobachten, wie einzelne Gäste der Runde verstohlen aufstanden, zu dem Gucky-Tassen-Karton schlichen, herumhantierten und dabei murmelten "Höhere Nummer als meine, höhere, höhere, abgebrochener Henkel, wieder höher, ..." und sich dann, manchmal nach Austausch ihrer Tasse, wieder hinsetzen. Letztendlich aber war Karl Heinz's Bauchladen trotzdem ausverkauft.
Dann ging es einige Minuten "hemmungslos" zu. Ich weiß nicht mehr, ob das ganze durch Perrys Bettszene in einem der letzten Romane oder Peter Terrids Schilderungen über Gravia-Wurzeln und deren Folgen (".. was zu unliebsamen Szenen unter Tisch führen kann ...") ausgelöst wurde, jedenfalls folgten einige Witze und Bemerkungen, die zu teils heftigen Reaktionen der am Tisch anwesenden Damen führten.
In der Kinoecke ging es um "Wild Things" und "Mit Schirm, Charme und Melone", wobei "The Avengers" nicht so schlecht wegkam wie in diversen Zeitungskritiken.
Unterbrochen wurden die verschiedenen Gespräche immer wieder durch P.R.-spezifische Zwischenfragen von Roman, der gemeinsam mit Daniela laufend versuchte, das Kreuzworträtsel der Grazer zu lösen. So tauchte etwa auch die Frage auf, wie die Crest IV, die von Perry Rhodan aufgegeben und in einen Dilatationsflug versetzt wurde, wieder nach Terra kam und jetzt dort als Denkmal steht (Zuschriften erbeten!).
Die Schlußpointe des Abends lieferte wieder einmal Daniela, als sie das gerade herumgereichte hervorragende und großartige Superhelden-Epos "Kingdom Come" in die Hände bekam und nach kurzem Durchblättern fragte: "Hat das auch eine Handlung?"
Während die Wanduhr noch immer fünf Minuten vor dreiviertelzehn zeigte, beendeten wir bereits in der Geisterstunde etwas müde und auch zahlenmäßig ein wenig geschrumpft diesen Abend. Ich wäre gerne vor dem Lokal, auf dem Gehsteig gegenüber, gestanden um zu sehen, wie acht Leute hintereinander aus einer Türe kommen, jeder eine große Rolle in der einen Hand und ein Säckchen in der anderen Hand. Hoffentlich kann man darüber nicht wieder in ein paar Wochen in der Zeitung lesen, zB. so ähnlich wie "Städtische Kanalisation zusammengebrochen. Unbekannte demontierten Rohrstücke ..."