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Da steh' ich nun, ich Armer, vor dem Tor, und kann nicht rein, wie schon
so oft zuvor.
(Zitat aus Goethes "Faust")
"Aus Schaden wird man klug", sollte man meinen, doch das gilt nicht für den Wiener Perry Rhodan Stammtisch. Mittlerweile haben wir es schon zum dritten Mal geschafft, vor verschlossenen Türen zu stehen, weil in unserem schier grenzenlosen Optimismus (oder Dummheit?) keiner daran gedacht hat, anzurufen, ob denn an diesem Karfreitag wirklich geöffnet sei.
Und so stand ich nun da, einsam und verlassen, starrte auf das Schild und ärgerte mich, daß ich gerade heute früh dran war und mich trotz der Osterfeiertage keine rote Ampel und kein Stau aufgehalten hatten. Komisch, sonst bin ich fast nie der Erste.
Nach drei Minuten (glaube ich zumindest, denn ich hatte keine Uhr dabei) begann ich, mit meinem Schicksal zu hadern. War der Stammtischabend doch verschoben worden? Nein, ich hatte doch extra Michael gefragt, aber je mehr Zeit verstrich, um so unsicherer wurde ich. Leider gab es hier weit und breit keine Telefonzelle, und ein Handy habe ich bisher immer erfolgreich verweigert.
Zum Glück war es nicht kalt, und so begann ich, mir einmal genauer das "Flut und Ebbe" zu betrachten und entdeckte Dinge, die mir bisher noch nie aufgefallen waren. In den Auslagenscheiben lagen Zeitungen, Comic-Hefte, ein Schachbrett, ein Geo, ... heh, ein Schiffchen, das aus abgelösten Heinecken-Bier-Etiketten zusammengebaut wurde! Neben der Eingangstüre hatte man ein Schaufenster mit mehreren Muscheln und einem Rettungsring dekoriert - der Reifen könnte allerdings einmal abgestaubt werden. Außerdem blätterte teilweise der Lack an den Fenstern ab. Und das Geschlossen-Schild an der Türe, das mich jedesmal beim Vorbeigehen bösartig anblinzelte, hing auch schief.
Nach weiteren geschätzten zehn Minuten fing ich schließlich an, Selbstgespräche zu führen: "Wo bleiben die denn alle?" - "Woher soll denn ich das wissen?" Als mich dann plötzlich jemand anredete, war es jedoch kein weiterer Stammtischgast, sondern ein Sandler, der mir einen guten Abend wünschte und mich anschnorrte. Aus lauter Freude, doch nicht ganz unnötig hier herumzustehen, gab ich ihm zehn Schilling.
Und endlich, endlich, sah ich das erste vertraute Gesicht. Kurz nach Roman kam dann Karl Heinz, und wir eröffneten am Gehsteig vor dem Lokal den zweiten Open-Air Stammtisch. Kurze Zeit später gesellten sich Thomas und Franz dazu, und schön langsam fiel es gar nicht mehr auf, daß in der Mitte gar kein Tisch stand. Erst als es leicht zu nieseln anfing, wurde uns wieder bewußt, daß wir kein Dach über dem Kopf hatten. So standen wir da im Regen, erzählten uns Witze, beobachteten einparkende Autos und warteten, daß die restlichen erwarteten Gäste kommen würden, damit wir uns endlich eine gemütlichere Bleibe suchen konnten.
Als Milan, Hermi und Marco dazustießen, hatte der leichte Nieselregen bereits wieder aufgehört, und wir konnten uns ungestört weiter unterhalten. Milan hatte einige Exemplare seines Fanzines "New Worlds" mitgebracht und startete einen Gassenverkauf.
Marco, ein deutscher Gast und von Beruf Polizist, wurde von Roman gleich mit den freundlichen und salopp hingeworfenen Worten "A Kieberer is ka Haberer" empfangen und handelte sich damit aber nur ein, anschließend den Satz Wort für Wort übersetzen zu müssen.
Nach längerer Zeit tauchte dann Michael Marcus auf und erweiterte unsere Runde auf neun Personen, so daß vorbeikommende Passanten entweder den gegenüberliegenden Gehsteig benutzen oder großräumig über die Straße ausweichen mußten. Einige überlegten, ob man nicht vielleicht die schräg gegenüberliegende ÖVP-Parteizentrale stürmen und für den heutigen Abend besetzen sollte, aber zum Glück erschien dann endlich als Letzter Wolfgang, und wir konnten uns auf Herbergsuche begeben.
Und so marschierten wir los, mit ungewissem Ziel. Keiner kannte in dieser Gegend ein annehmbares Lokal, das für unsere Zwecke geeignet gewesen wäre. Nach fünf Minuten Gehzeit legten wir einen kleinen Zwischenstopp bei einem Comic-Laden ein, wo man sich gemütlich vor den Auslagenscheiben gruppierte und einige Gespräche führte.
Um das ganze jetzt kurz zu machen - irgendwer hatte dann wieder in Erinnerung gerufen, daß wir eigentlich auf der Suche nach einem Lokal waren, schlug das Café Hummel vor , wo wir dann nach weiteren zehn Gehminuten auch eintrafen.
Nachdem wir fünf oder sechs Kaffeehaustischchen zusammengestellt hatten, konnte der Stammtischabend doch noch formell beginnen. Wir wurden zwar von den Herumsitzenden mißtrauisch beäugt, doch nach einer kurzen Aklimatisierungsphase begannen wir doch, den Tisch mit Heften, Taschenbüchern, Kassetten und mehr vollzuräumen und uns über Perry Rhodan und Co. zu unterhalten. Eine der schwierigsten Fragen, die sich allerdings zu Beginn stellte, war: Wie erklärt man einem deutschen Gast, was Augsburger mit Erdäpfeln sind? Die letztgültige Definition, daß es sich dabei um eine Currywurst ohne Curry handelt, dürfte ihn dann aber doch nicht zufriedengestellt haben, da er sich ein international verständliches Cordon Bleu bestellte.
Während des Essens nahm der Verräter in der Runde wieder einmal einen Anlauf, uns zu verraten, wer Shabazza sei, doch zum Glück hatten Michael eine Gabel und ich ein Messer in der Hand, so daß wir Roman überzeugen konnten, seine Erkenntnisse aus dem neuesten Heft für sich zu behalten.
Zur Zeit dreht sich natürlich alles um den Perry Rhodan Austria Con II, zu dem es heute die ersten Ausdrucke der Internetseiten gab, die in Kürze über die Veranstaltung informieren werden. Näheres gibt es wie gewohnt im Con-Tagebuch.
Der gemütliche Abend neigte sich um Mitternacht langsam seinem Ende zu. Michael Marcus' Worte "Es ist eh alles wurscht!" kündigten wie üblich den baldigen Aufbruch an. Wenigstens kamen wir heute noch in den Genuß eines kleinen Verdauungsspazierganges, da die meisten von uns erst wieder zum "Flut und Ebbe" zurückkehren mußten, wo wir unsere Autos abgestellt hatten. Und eines habe ich mir schon vorgemerkt - beim nächsten Mal nehme ich mir einen Staubfetzen mit!
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Stammtisch-Chroniken